Die Gründung und Entwicklung der Sterbekasse Rauchclub Endorf
Bereits am 26. November 1910 fanden sich acht namhafte Endorfer Bürger im Gasthaus von Michael Maier - dem heutigen Bauernwirt in Endorf ein und gründeten den Verein mit dem Namen „Die grüabig'n Raucher“. Der Zweck des Vereins war die Förderung der gesellschaftlichen Unterhaltung – Grundsatz: Politik ist ausgeschlossen!
Die Initiatoren und die erste Vorstandschaft ergeben sich aus dem Protokoll: 1. Vorstand: Hermann Wiebel, 2. Vorstand: Georg Wirth, Kassier: Michael Maier und Schriftführer war Wilhelm Schäfer.
Im Jahr 1912 wurde eine Standarte angeschafft, die das Symbol der brüderlichen Handreichung zeigte. Der damalige Pfarrer verweigerte die kirchliche Weihe, weil kein christliches Symbol vorhanden war. Bereits im Jahr 1922 entwickelte sich der Verein von seiner geselligen Seite - seinerzeit gehörte das Rauchen mit zum geselligen Beisammensein - immer mehr hin zu einer sozial tätigen Vereinigung durch die Gründung einer Sterbekasse.
Im Jahr 1925 konnte die Standarte endlich zur Weihe getragen werden - auf der Rückseite war das Bild des Hl. Josef aufgestickt. Ein Jahrtag für die Verstorbenen Mitglieder wurde 1926 eingeführt. 1928 gründeten auch die Frauen in Endorf eine eigene Frauensterbekasse.
Die Armut und Not führte 1930 zum Vorstandsbeschluss, jedem kranken Hilfsbedürtigen, der darum ersucht, zehn Reichsmark aus der Vereinskasse zu zahlen.
1932 finden wir in den Protokollen erstaunliches: am 20. März 1932 wird ein Beschluss gefasst, der Gemeinde Endorf zum Zwecke einer Arbeitsbeschaffungskasse für ausgesteuerte Erwerbslose einen Zuschuss leihweise zu gewähren, auf eine gewisse Zeit unverzinslich. Am 3. April 1932 wird der Beschluss realisiert mit einem Betrag von 300 Reichsmark auf zwei Jahre. Kamerad Hermann Wiebel sprach als Gemeinderatsmitglied den Dank und die Anerkennung im Namen des Gemeinderates aus. Am 5. Juni 1932 sollen die 300 Reichsmark in Notfällen auf 400 Reichsmark erhöht werden. Nach dem Protokoll vom 4. September 1932 soll hilfsbedürftigen Mitgliedern, besonders Invaliden mit kleiner Rente und längerer Zeit Erkrankten, unter die Arme gegriffen werden, damit sie wieder ihren Verpflichtungen nachkommen können. (Eine Rückzahlung dieser Beträge durch die Gemeinde Endorf wurde von den Chronisten leider nicht vermerkt!)
1939 wurde die Eintragung in das Vereinsregister beim Amtsgericht Prien vorgenommen.
1960 konnte bereits ein 50-jähriges Gründungsfest mit einer Fahnenweihe durchgeführt werden. Als Patenverein fungierte damals der Rauchclub Kolbermoor. Zu dieser Zeit zählte der Verein 315 Mitglieder. Die Fahne von 1960 ist in einem Fahnenkasten im Foyer der Marktgemeinde Bad Endorf ausgestellt.
1961 wurde die Frauensterbekasse mit 302 Mitgliedern eingegliedert. Ebenso im Jahr 1973 die Sterbekasse der Feuerwehr mit 73 Mitgliedern.
1985 feierte man das 75-jährige Gründungsfest und wieder wurde eine neue Fahne geweiht. Auf der Vorderseite mit dem Motiv der brüderlichen Handreichung und auf der Rückseite die Endorfer Pfarrkirche. Als Patenverein fungierte abermals der Rauchclub Kolbermoor. Zu dieser Zeit zählte der Rauchclub bereits 936 Mitglieder.
Im Jahr 1990 feierte die Theatergesellschaft Bad Endorf ihren 200. Geburtstag und der Rauchclub übernahm zu dieser Feierlichkeit die Patenschaft.
2010 konnte der Verein auf 100 Jahre zurückblicken und richtete in freundschaftlicher Verbundenheit zusammen mit der Musikkapelle Bad Endorf (85 Jahre) und der Theatergesellschaft Bad Endorf (220 Jahre) am 18. und 19. September 2010 ein umfangreiches Programm zu den gemeinsamen Feierlichkeiten aus. Mit diesen monatelangen, gemeinsamen Planungen und der tatkräftigen Unterstützung aller Beteiligten gelang es, ein wundervolles Jubiläum auszurichten, zu dessen Erinnerung im Folgejahr am Platz vor der Pfarrkirche ein Stein von Steinmetzmeister Erich Wieser graviert wurde, der uns alle immer wieder an die kameradschaftliche Verbundenheit der Endorfer erinnern soll.
Der Rauchclub entwickelte sich über die Jahrzehnte zu einem der größten Vereine im Ort und bei manchen Endorfern gehört es einfach zur Familientradition, Mitglied in diesem Verein zu sein. Das jährliche Preisrauchen, wobei das Ziel war, am längsten eine Zigarre am Qualmen zu halten, gehört mittlerweile der Vergangenheit an. Geraucht wird heute nicht mehr, geblieben aber ist aus der Zeit der Vereinsgruß „Gut Rauch“.
Bisherige 1. Vorstände: Hermann Wiebel, Anton Steinberger, Florian Rieder, Anton Hilzensauer, Josef Sieber, Lois Linner, Josef Mittermayer, Franz Feil, Peter Huber, Johann Huber, Leonhard Wimmer, Albert Plank, Anna-Maria Kirner
Bisherige 2. Vorstände: Georg Wirth, Florian Rieder, Josef Dachs, Peter Huber, Konrad Schachner, Josef Laböck, Anna Schachner, Andreas Strell, Albert Plank, Anna-Maria Kirner, Erich Wieser
Früher wie heute ist das Gesellige immer noch ein wesentliches Vereinsziel, den Zusammenhalt innerhalb der Vereinsmitglieder zu stärken, gemeinsame Ausflüge zu unternehmen und sich bei Festen im Ort zu treffen. Außerdem trifft man sich jeden ersten Donnerstag im Monat ab 19 Uhr zum Stammtisch im Kurfer Hof.
Rauchclubs gab es mal viele, aber der Endorfer Rauchclub ist einer der wenigen, der auf Vereinsbasis eine Sterbekasse betreut und deren Mitglieder mit einer Fahnenabordnung zu Grabe getragen werden.
Seit über 100 Jahren wird aus dem Vereinsvermögen auch in Zeiten von Inflation und Wirtschaftskrisen in den schweren Tagen nach dem Tod eines Familienmitglieds ein Sterbegeld an die Hinterbliebenen als Soforthilfe ausgezahlt. Der Mitgliedsbeitrag liegt beim Rauchclub derzeit bei jährlich 12 Euro. Ausgezahlt wird im Sterbefall ein Betrag, der sich an der Länge der Mitgliedschaft orientiert. Viele Mitglieder sind bereits mehr als 50, 60 oder auch 70 Jahre dem Verein treu. Der Unterschied zu einer Sterbeversicherung ist, dass es nicht nur ums Geld geht, sondern dass jedes Mitglied weiß, dass es auf Wunsch durch die Fahnenabordnung des Rauchclubs auf dem „letzten Weg“ begleitet wird und dass es am Grab einen Nachruf geben wird. Es gibt aber auch die Möglichkeit einer Fördermitgliedschaft ohne Leistungsanspruch aus der Sterbekasse.
Der Verein hat 2024 zu Jahresbeginn 1.427 Mitglieder und freut sich über jedes neue Mitglied, um auch in der Zukunft das gesellschaftliche Miteinander im Ort zu fördern und die Tradition von Trauerbegleitung und Soforthilfe aufrecht zu erhalten.